Dreimal kräftig „Ziggy Zaggy“

Einzugsbereich von 100 Meilen: Der deutsche Braumeister Ben Zollenkopf (links) und Chane F. Keller, der President des Hofbräuhauses St. Louis-Belleville. Fotos: Wolfgang Stüken

Das jüngste Hofbräuhaus der Welt steht in Paderborns US-Partnerstadt Belleville

Einer der berühmtesten Belleviller Bürger des 19. Jahrhunderts, der Deutschamerikaner Gustav Körner (1809-1896), vergab schon in den 1880er Jahren, als er seine Memoiren schrieb und sich an seine Studentenzeit erinnerte, dem Münchener Bier die Note „exzellent“. Körners Memoiren erschienen anlässlich seines 100. Geburtstages anno 1909 in zwei Bänden. Weitere 109 Jahre später fließt in Paderborns Partnerstadt im Mittleren Westen sogar ganz frisch gezapftes Bier der Marke Hofbräu aus dem Hahn. „Exzellent“ – das meinten auch die mehr als 600 Teilnehmer der Eröffnungsfeier des Hofbräuhauses St. Louis-Belleville am 18. April 2018.

Vor dem Hofbräuhaus: Belleville’s Bürgermeister Mark Eckert (hinter dem Kind mit dem Schleifenband) wird von den Investoren zur Eröffnungsfeier willkommen geheißen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein gut gelaunter Ordensgeistlicher ergriff das Mikrofon und sprach ein kurzes Gebet zur Einweihung. Seinem „Amen“ fügte Pater Andrew Knop, ohne eine Sekunde Atem zu holen, ein lautstark ausgerufenes „Ziggy, Zaggy, Ziggy Zaggy“ hinzu, und die fröhlichen Gäste antworteten dreimal im großen Trinkspruch-Chor „Hoy, hoy, hoy“. Dabei schwenkten sie gut gelaunt ihre nicht minder gut gefüllten Bierkrüge. Dann wurde „Ein Prosit der Gemutlichkeit“ angestimmt, und die Band auf der Bühne ließ die Schunkel-Hn Belleville und der großen, Missouri gelegenen Nachbarstadt St. Louis erlebte der Bierpalast Nummer acht der 2005 gegründeten US-Tochter Hofbräuhaus of America LLC – das bislang größte Hofbräuhaus in den USA – sein lang erwartetes „Grand Opening“ .

„Ein großartiger Tag für Belleville“, sah Mark Eckert, der Bürgermeister der im Bundesstaat Illinois gelegenen Paderborner Partnerstadt, ein lange verfolgtes Ziel erreicht. Ein großer Tag sei dies auch für die Wallfahrtsstätte „Shrine of Our Lady of the Snows“, deren Direktor der „Zicke Zacke“-Pater Andrew ist. Die in Nachbarschaft des Hofbräuhauses gelegene große Belleviller Marienwallfahrtsstätte mit jährlich mehr als einer Million Besuchern ist Eigentümerin des Geländes, auf dem das Hofbräuhaus steht. Der Oblatenorden, der die Wallfahrtsstätte betreibt, hat das Brauhaus-Gelände langfristig an die Investorengruppe Keller aus Effingham (Illinois) verpachtet. Die Kellers haben auch die Franchiserechte für das Hofbräuhaus erworben.

Alle Gerichte der „Speisekarte“ mit deutschem Namen: Chuck Keller, 80-jähriger Senior der gleichnamigen Investorenfamilie, mit der charmanten Bedienung Jade Clark.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Münchner Hofbräuhaus war Brauereichef Dr. Michael Müller zur Einweihungsparty angereist. Er wünschte, stilecht in Lederhose, dem Hofbräuhaus St. Louis-Belleville „eine Menge Freude, eine Menge Gäste und eine Menge Erfolg“.

Der große Saal des Hofbräuhauses bietet Platz für 500 Gäste. Der angrenzende Festsaal (König-Ludwig-Saal) kann für bis zu 250-köpfige Gesellschaften gebucht werden Weitere 265 Besucher können an wärmeren Tagen draußen im Biergarten „Gemutlichkeit“ schnuppern.

In der Region um Belleville leben viele Nachfahren deutscher Auswanderer – darunter auch Emigranten aus dem Kreis Paderborn ­und westfälischen Nachbarkreisen, ferner viele ehemalige US-Soldaten, die einmal in Deutschland stationiert waren. Bei ihnen steht deutsches Bier hoch im Kurs. Die benachbarte Großstadt St. Louis (Missouri) am westlichen Mississippi-Ufer liegt nur 10 Meilen vom neuen Hofbräuhaus entfernt. St. Louis ist das Zentrum der Metro-East-Region, die rund 2,8 Millionen Bewohner zählt. Daher erscheint in der Bezeichnung und Ausschilderung der neuen Groß-Kneipe der Name St. Louis in großen Buchstaben. Belleville (knapp 50.000 Einwohner) steht in kleineren Lettern darunter. So ist es beim rund 480 Kilometer entfernten Nachbar-Hofbräuhaus Chicago, das im dortigen Vorort Rosemont liegt, auch.

Die Idee der Hofbräuhaus-Gründung in Belleville stammt aus dem Jahr 2014. Schon ein Jahr später wurde mit dem Bau begonnen. Doch der Ausstieg eines Investors verzögerte die Realisierung um fast zwei Jahre. Mehrfach platzten angepeilte Eröffnungstermine. Mit einem „Soft-Opening“, einer eher leisen Inbetriebnahme, ging es schließlich Ende März 2018 los. Obwohl seit Jahresbeginn mehr als 150 Mitarbeiter eingestellt wurden, gab es zunächst Kritik von Gästen an langen Wartezeiten und Beschwerden über angeblich unfreundliche Bedienung. Eine Ursache waren Schwierigkeiten für das amerikanische Personal, mit den Begriffen der bayrischen Speisekarte zurecht zu kommen. Ein spezielles Schulungsprogramm mit gastronomischer Nachhilfe in Begriffen der deutschen und bayrischen Gastronomie wurde organisiert. Jetzt bereiten Obatzda, Brotzeitteller, Brezen, Rostbratwürstl und Leberkäse keine Probleme mehr, und gern sind die Servierkräfte bereit, die Auswahl im Bierangebot so leicht wie möglich zu machen. „Ich danke allen, die an dieses Projekt geglaubt haben“, atmete Bürgermeister Mark Eckert vor dem offiziellen Fassanstich am Eröffnungstag sichtlich erleichtert auf.

Einlage am Eröffnungsabend: Auf einem Alphorn lässt sich nicht nur eine prima Showeinlage blasen. Es eignet sich auch hervorragend zum Einsammeln von Trinkgeld.

Chane F. Keller, 28 Jahre junger „President“ des Hofbräuhauses, bezifferte das Investitionsvolumen auf 14 Millionen Dollar. Die Brautechnik kommt aus Österreich, eine hochmodere Zapfanlage, die exakt die gewünschte Biermenge in Gläser und Krüge dosiert und mit einer Schaumkrone abrundet, wurde aus Deutschland importiert. In wenigen Wochen soll in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hofbräuhauses – ebenfalls auf Oblaten-Gelände – mit dem Bau eines Hotels (170 Zimmer, zwei Restaurants, Betreiberin: Hyatt-Gruppe) und eines Konferenzzentrums mit Sälen und Seminarräumen für bis zu 1500 Teilnehmer begonnen werden. Auch eine Tankstelle mit Bedarfsartikel-Laden (Convenience-Store) gehört zum weiteren Bauprogramm, das Chane F. Keller auf 18 bis 20 Millionen Dollar beziffert.

Braumeister Ben Zollenkopf (50) stammt aus dem bayrischen Sonthofen. Nach seiner Brauer-Lehre sammelte er in diversen bayrischen Brauhäusern, darunter auch Privat- und Gasthausbrauerein, Erfahrungen, bevor er in Weihenstephan eine dreijährige Ausbildung zum Diplom-Braumeister absolvierte. Als Fachmann für Brauereitechnologie war er bald weltweit für die Inbetriebnahme von Brauereianlagen im Einsatz. Zuletzt bekleidete er seit 2010 bei Hofbräu in München die Funktion des Technischen Direktors international.

Frisch gebackene Riesenbrezen. Sie wird serviert mit süßem Senf, Zwiebelsenf und Obatzda-Käse.

Die hauseigene Brauanlage im neuen Hofbräuhaus St. Louis-Belleville kann Zollenkopf nicht nur per Touchscreen steuern. Jedes Ventil, jeder Motor lässt auch von Hand bedienen. Zollenkopf:„Wir können einen kompletten Sud manuell fahren.“ Jeder der acht Außentanks am Hofbräuhaus fasst 4.000 Liter Bier. Drei Sorten – das in Deutschland als Original Hofbräu bekannte Bier heißt hier Premium Lager, hinzu kommen ein Dunkel und ein Hefeweizen ­ – sind ständig am Hahn. Literpreis: 12 Dollar. Hinzu kommen Saisonbiere, die einen Dollar mehr kosten. Maibock und Oktoberfestbier müssen aufgrund alter Traditionen und Braurechte aus München importiert werden. Für die beiden Wochen des Münchner Oktoberfestes soll am Hofbräuhaus in Belleville ein Festzelt aufgebaut werden, wo Oktoberfestbier aus München im Ausschank ist. Zollenkopf selbst darf für diesen Jahreshöhepunkt ebenfalls ein spezielles Bier brauen. Es darf den Namen „Oktoberfest“ oder „Festbier“ tragen. Echtes „Oktoberfestbier“ aber muss – in Fässern über den Atlantik – aus Bayerns Hauptstadt kommen.

Vom Saal aus gut einsehbar: Die Brauanlagen des neuen Hofbräuhauses sind seit Dezember letzten Jahres in Betrieb. Hier können jährlich 5000 Hektoliter gebraut werden. Pro Sud sind es 20 Hektoliter.

Gebraut wird in Belleville nach deutschem Reinheitsgebot mit Wasser aus dem öffentlichen Netz. Nach einer gründlichen Wasseranalyse in Weihenstephan hat Zollenkopf eine Enthärtungsanlage einbauen lassen. „Alle Vorgaben aus München sind erfüllt.“ Malz kommt aus Bamberg, für die Hauptsorten wird deutscher Hopfen verwendet. Auf die Weißbierhefe, die in einer amerikanischen Hefebank hinterlegt ist, haben allein die Hofbräuhauser der USA Zugriff. Zollenkopf: „Das macht unser Bier sehr einzigartig.“ Die Konkurrenz durch amerikanische Brauereien, gerade auch in St. Louis, nennt der Braumeister „extrem groß“. Aber er weiß auch: „Es ist eine für Bierfreunde sehr attraktive Gegend.“ Als Einzugsbereich peilen Chane F. Keller und Ben Zollenkopf einen Radius von 100 Meilen rund um das neue Hofbräuhaus an. Die ersten Touristenbusse fuhren schon am Tag nach dem „Grand Opening“ auf dem großen Parkplatz vor. Vor dem Hofbräuhaus wird bald ein mit bayrischen Ornamenten geschmückter blau-weißer Maibaum stehen.

Für stets ausreichenden Biervorat: Jeder der acht Außentanks fasst 40 Hektoliter.

Ab 17 Uhr gibt’s an jeden Abend Livemusik. Eine Agentur aus Innsbruck vermittelt die ganz auf Stimmungsmusik geeichten, meist aus Deutschland und Österreich verpflichteten Musiker jeweils für mehrere Wochen an die US-Hofbräuhäuser. Chane F. Keller: „Wir würden uns sehr freuen, auch Bands aus Belleville’s Partnerstadt Paderborn hier auf der Bühne begrüßen zu können.“ Für mehrtägige Auftritte allerdings wird ein Touristenvisum allerdings kaum ausreichen.

Ölbild eines Mönches mit Hofbräuhaus-Krug aus der Zeit um 1910. Wolfgang Stüken (rechts) überreichte es als Geschenk zur Hofbräuhaus-Einweihung an President Chane F. Keller. Foto: Susanne Wiedemann

 

Für den Deutsch-Amerikanischen Freundeskreis Paderborn-Belleville gratulierte Vizepräsident Wolfgang Stüken zur Hofbräuhaus-Einweihung. Da anno 1587 der erste Braumeister des Münchner Hofbräuhauses aus einem Kloster stammte und 429 Jahre später eine Belleviller Ordensgemeinschaft Grundstückseigentümerin des jüngsten Ablegers des angeblich berühmtesten Wirtshauses der Welt ist, überreichte er als Geschenk an Chane F. Keller das um 1910 entstandene Ölbild eines Mönches, der sich in seiner Klosterzelle flüssige Nahrung aus einem Bierkrug mit dem Markenzeichen „HB“ schmecken lässt. Ob der auch schon das „Zicke Zacke“ beherrschte, ist nicht bekannt.